Je besser Gesundheitsschutz erklärt und umgesetzt wird, desto stärker kommt er auch in der Praxis an – besonders auf der Baustelle. In der Auftaktfolge der Podcast-Serie der Suva profitieren wir vom Fachwissen gleich dreier Gäste, die über die Bedeutung der optimalen Baustellenlogistik als Schlüssel zum körperschonenden Lastentransport sprechen:
- Alois Blum, Experte für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Suva
- Kaspar Bütikofer, Branchensekretär der UNIA
- Hanspeter Thommen, Sicherheitsberater bei der ASG Thommen GmbH
Gemeinsam geben sie einen detaillierten Überblick zur Entstehung und Umsetzung des Projekts OptiBau, zeigen erste Erkenntnisse aus einem früheren Pilotprojekt – und erklären, warum der Lastentransport nicht nur eine Frage der Effizienz und Gesundheit, sondern auch zur Steigerung der Attraktivität des Baugewerbes ist.

Belastungen am Arbeitsplatz – ein unterschätztes Risiko
Körperliche Belastungen zählen zu den häufigsten Ursachen für berufsbedingte Gesundheitsprobleme. In der Schweiz sind rund ein Drittel aller krankheitsbedingten Ausfalltage auf solche Belastungen zurückzuführen. Die volkswirtschaftlichen Folgen sind enorm: Allein die daraus resultierenden Kosten betragen jährlich rund zwei Milliarden Franken.
Betroffen sind Branchen mit schweren körperlichen Tätigkeiten – darunter das Baugewerbe. Hier entstehen Beschwerden häufig durch das manuelle Einbringen von Baumaterialien. Besonders problematisch ist, dass der Trend in vielen Gewerken seit Jahren Richtung grösserer und schwererer Elemente geht. Zum Beispiel im Fensterbau, wo vermehrt grosszügige Glasflächen und stark isolierende Dreifachverglasungen gewünscht werden.
Auf der Baustelle gilt: Wo es keine Hebehilfen wie Krane oder keine berollbaren Verkehrswege und Übergabepodeste gibt, bleibt nur der Griff zur eigenen Muskelkraft. Die Folgen sind Entzündungen in Muskeln und Gelenken, Rückenleiden und andere Erkrankungen am Bewegungsapparat, die oft langfristig einschränken und bis zum Berufsausstieg führen können.

Gesundheitsschutz beginnt bei der Logistikplanung
Mit dem Projekt «Optimale Baustellenlogistik als Schlüssel zum körperschonenden Lastentransport» möchte die Suva zusammen mit den Arbeitgeberverbänden des Ausbaugewerbes und der Unia diesen Zustand ändern. Das Ziel: Die Rahmenbedingungen auf der Baustelle so zu gestalten, dass Lasten gar nicht erst manuell über Hindernisse getragen werden müssen. Stattdessen sollen berollbare Zugänge und Hebemittel von Anfang an eingeplant werden.
Kern des Projekts ist ein Planungs- und Führungstool, das bereits in der Ausschreibungsphase greift und den Fokus auf einen sauberen logistischen Ablauf legt. Damit werden nicht nur die körperlichen Belastungen der Handwerkerinnen und Handwerker reduziert, sondern auch der Bauablauf effizienter gestaltet. Denn was nicht in Planung und Ausschreibung berücksichtigt wird, kann vor Ort auch nicht umgesetzt werden. Eine durchdachte Baustellenlogistik spart zudem Zeit, verhindert Fehler und verringert die Zahl ungeplanter Eingriffe.
OptiBau: Pilotprojekt – und was man daraus gelernt hat
In einem spannenden Pilotprojekt wurden zwei baugleiche Häuser errichtet: eines auf herkömmliche Weise, das andere ausgerichtet auf einen körperschonenden Lastentransport nach den Vorgaben von OptiBau. Beim klassischen Bauprojekt musste improvisiert, das Material getragen oder über Gräben balanciert werden. Beim Projekt mit OptiBau hingegen konnten die Materialien mit Kranen oder Aufzügen und über befestigte Verkehrswege transportiert werden. Besonders auffällig war, dass weniger Unterbrüche im Bauablauf auftraten und der Arbeitsfluss insgesamt ruhiger und sicherer verlief.
Der Grund: Eine bessere Koordination, mehr Vorgaben, klarere Zuständigkeiten und eine frühere Einbindung aller Gewerke. Ein eigens gebildeter Ausschuss analysierte die Abläufe und formulierte Schlüsselfaktoren für zukünftige Baustellen – darunter das Zusammenspiel zwischen Bauherrn, Planer, Gerüstbauer, Unternehmer und Ausführenden.

Wer ist verantwortlich?
Ein zentrales Problem auf vielen Baustellen ist die unklare Verantwortlichkeit für den Gesundheitsschutz. Grundsätzlich müssen die einzelnen Unternehmen für die notwendigen Schutzmassnahmen zur Gewährleistung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes sorgen. Doch Unternehmen des Ausbaugewerbes müssen meist mit der Infrastruktur vorliebnehmen, die sie antreffen und haben kaum die Möglichkeit, selbst eine ergonomisch durchdachte Infrastruktur auf der Baustelle bereitzustellen.
Stattdessen müssten Generalunternehmer und Planer frühzeitig für die Voraussetzungen sorgen – etwa durch festgelegte Einbringwege, Lastpodeste, Aussenlifte und klare Kommunikationswege zwischen den Gewerken. Dafür muss eine Infrastruktur vorhanden sein, die es den einzelnen Gewerken überhaupt ermöglicht, einen körperschonenden Lastentransport umzusetzen.
Damit das gelingt, sollen die Schlüsselelemente von OptiBau und somit die Anforderungen an die Baustellenlogistik in Normen wie der SIA 118 oder in NPK-Katalogen verankert werden.
Werkzeuge für bessere Baustellen
Um Bauherrschaften, Planenden und ausführenden Unternehmen konkrete Hilfestellungen zu bieten, stellt die Suva gemeinsam mit OptiBau folgende Materialien zur Verfügung:
- Einen umfassenden Leitfaden für die Projektabwicklung optimaler Baustellenlogistik (www.suva.ch/88332.d).
- Eine Checkliste für Planung und Ausschreibung, um frühzeitig Anforderungen zu definieren (www.suva.ch/88332-1.d).
- Eine Checkliste für das Logistikkonzept, das alle Akteure koordiniert (www.suva.ch/88332-2.d).
- Eine Checkliste für die ausführenden Unternehmen, die sicherstellt, dass der Lastentransport frühzeitig geplant wird, damit die logistischen Vorgaben auf der Baustelle eingehalten werden (www.suva.ch/88332-3.d)
- Das Faltblatt OptiBau als praktische Umsetzungshilfe für Planer, Bauleiter und Unternehmen des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes zur Realisierung und Kontrolle von Massnahmen zur Arbeitserleichterung auf Baustellen (www.optibau.info).
Alle Dokumente stehen kostenlos auf den Webseiten von Suva und OptiBau zur Verfügung – in allen drei Landessprachen unter www.suva.ch/optibau und www.optibau.info. Damit ist es möglich, ohne grossen Aufwand bessere Grundlagen zu schaffen – für mehr Effizienz und weniger gesundheitliche Belastung.

Warum sich der Aufwand lohnt
Zwar kann man derzeit noch keine Zahlen zu eingesparten Kosten oder vermiedenen Unfällen liefern, doch die Rückmeldungen aus der Praxis sind eindeutig.
Im oben erwähnten Pilotprojekt wurde deutlich, dass sich der koordinative Mehraufwand in der frühen Planungsphase bezahlt macht. Während der Bauzeit lief vieles reibungsloser. Die Kommunikation zwischen den Gewerken verbesserte sich, es gab weniger Mängel, weniger Nachbesserungen und ein insgesamt höheres Qualitätsniveau.
Auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit hat die Logistikplanung Vorteile: Transportwege lassen sich reduzieren, Ressourcen gezielter einsetzen und unnötige Baustellenfahrten vermeiden.
Baustellen attraktiver machen
Neben der Effizienz- und Gesundheitsfrage stellt sich auch eine grundlegende Frage für die Zukunft des Baugewerbes: Wie schafft man es, die Arbeit auf der Baustelle wieder attraktiver zu machen – besonders für junge Menschen?
Die Antwort liegt in der Wertschätzung. Eine Baustelle, die sauber und gut organisiert ist, mit sanitären Einrichtungen, Pausenräumen, Garderoben und einfachen Zugängen für schwere Materialien ausgestattet ist, signalisiert Respekt gegenüber den Ausführenden.
Wenn es gelingt, diese Standards breit umzusetzen, profitieren alle: die Fachkräfte, die Projektverantwortlichen – und nicht zuletzt die Bauherren, die am Ende ein Ergebnis mit weniger Mängeln, weniger Verzögerungen und zufriedeneren Mitarbeitenden erhalten.

Fazit: Gesundheitsschutz braucht Logistik & Zusammenarbeit
Eine optimale Baulogistik bzw. OptiBau ist kein theoretisches Konzept, sondern ein praktisches Werkzeug, das sich bewährt hat. Damit es zum Branchenstandard werden kann, braucht es jedoch mehr als nur Einsicht – es braucht den Willen zur Zusammenarbeit, eine frühzeitige Einbindung aller Beteiligten und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Am Ende profitieren alle.
Die Reduktion körperlicher Belastungen am Bau ist keine nette Geste. Sie ist eine Verpflichtung. Wer Gesundheitsschutz ernst nimmt, sorgt für effizientere Abläufe, geringere Kosten und eine höhere Attraktivität des Baugewerbes als Ganzes.
Ausblick auf die nächste Folge: In der kommenden Folge geht es um die Planung der optimalen Baustellenlogistik – als Grundlage für gesundes und effizientes Bauen. Gemeinsam mit Planern beleuchten wir, wie sich in der Praxis die Hilfsmittel der Suva in den Planungs- und Bauprozessen einsetzen lassen.
Alle Unterlagen zum Thema optimale Baulogistik findest du unter: http://www.suva.ch/optibau
Geradezu ein Leuchtturmprojekt der modernen Baulogistik stellt das pRED-Roche-Projekt in Basel dar. Mehr dazu erfährst du in diesem früheren Baublog mit der Schweizerischen Post!