Wenn Neubauten im Stockwerkeigentum übergeben werden, ist die Erwartung gross: Alles soll reibungslos laufen, die Wohnungen mängelfrei sein und die Verwaltung sauber starten können. In der Realität sieht es jedoch oft anders aus.
Daniel Kienast (Geschäftsleiter der ProSteg AG) hat mich zu diesem Thema interviewt. Im Fachgespräch ging es um die häufigsten Fehler und Herausforderungen – und um Wege, wie man sie vermeiden könnte. Genau das ist auch das Thema dieses Baublogs.
Du wirst sehen: Die häufigsten Probleme entstehen nicht erst bei der Ausführung, sondern oft schon in der Planungsphase – und das ist auch gleich unser erster Punkt!

Frühzeitige Planung entscheidet über Qualität & Kosten
Viele Probleme entstehen lange vor der eigentlichen Übergabe. Häufig fehlen bereits zu Beginn fertige, ausführbare Pläne. Handwerker arbeiten dann nach unklaren Vorgaben, was zu Fehlern und Mehrkosten führt. Auch der Bauherr trägt Verantwortung: Je später Entscheidungen getroffen werden, desto teurer werden Änderungen und desto mehr steigt das Fehlerrisiko.
Entscheidend ist auch die Qualität der Beteiligten. Ein kompetenter Architekt muss umsetzbare Details planen, die Bauleitung diese Details konsequent kontrollieren und durchsetzen – und die ausgewählten Unternehmer sollten nicht nur günstig, sondern zuverlässig und erfahren sein.
Besonders deutlich zeigt sich der Unterschied zwischen den detailliert beschriebenen Sonderrechtseinheiten (den Wohnungen) und den Allgemeinräumen. Während Eigentümer meist genau wissen wollen, welche Ausstattung in die Wohnung kommt, sind die Angaben für Treppenhäuser, Waschküchen oder Technikräume oft oberflächlich (Handlauf aus Holz oder Ähnlichem, herkömmliche Waschküche). Genau mit solch ungenauen Definitionen beginnen später die Diskussionen, etwa über Reinigung, Zugänglichkeit oder Dauerhaftigkeit der Oberflächen.
Verwaltung und Eigentümer: Spät eingebunden, früh betroffen
Ein grosses Problem ist die späte Einbindung der Verwaltung. Häufig erfährt sie erst kurz vor der Übergabe vom Mandat, manchmal nur wenige Tage vorher. Doch eine professionelle Arbeit ist so kaum möglich. Optimal wäre, wenn die Verwaltung mindestens sechs Monate vor der Eigentumsübertragung ins Boot geholt würde – mit fixierten Terminen, Austausch mit der Bauleitung und klarer Rollenteilung.
Auch Eigentümer sollten sich nicht erst kurz vor Bezug mit ihrem Objekt befassen. Besichtigungen im Rohbau sind sinnvoll, aber immer nur begleitet, am besten mit einem unabhängigen Baufachmann. Wer eigenmächtig eine Baustelle inspiziert, schreibt zwar lange Mängellisten, riskiert aber Konflikte und Missverständnisse. Der Bauleiter fühlt sich übergangen, und vieles, das auf der Liste landet, war ohnehin schon zur Ausbesserung vorgesehen. Besser ist es, wenn Bauherrschaft, Bauleitung und ein neutraler Baubegleiter regelmässig gemeinsam Begehungen durchführen.
Vorabnahmen und Mängellisten – wie man Fehler erkennt und dokumentiert
Vorabnahmen einige Wochen vor Bezug sind unverzichtbar. Hier lassen sich grobe Fehler – von Knicken in Heizleitungen bis zu falsch montierten Küchenelementen – noch rechtzeitig beheben. Aber auch während des gesamten Bauverlaufs braucht es eine saubere Mängelerfassung.
Wichtig ist: Die Mängelliste ist Aufgabe der Bauleitung.
Verwaltung und Eigentümer dürfen zwar auf Mängel hinweisen, sollen diese aber nicht selbst bewerten. Jeder festgestellte Mangel muss dokumentiert werden, egal ob er klein wirkt oder umstritten ist.
Einige zentrale Regeln:
- Jeden Mangel aufnehmen, auch wenn er scheinbar unbedeutend ist.
- Mängellisten sichern – z. B. durch Fotos
- Absprachen schriftlich festhalten – mündliche Zusagen gehen im hektischen Baualltag oft verloren.
- Zusammengefasste Nachbesserungen organisieren, damit die Unternehmer nicht wegen jeder Kleinigkeit mehrfach anrücken müssen.

Typische Warnsignale und Risiken beim Baufortschritt
Immer wieder kommt es vor, dass Bauprojekte zu knapp geplant werden. Ein Beispiel: Drei Monate vor Bezug fehlen die Fenster, obwohl bereits der Unterlagsboden eingebaut wurde. Ohne Fenster kann der Boden jedoch nicht austrocknen – und nachfolgende Arbeiten wie Parkettverlegung, Küchen- oder Sanitärmontage geraten ins Wanken. Sobald der Bauzeitplan nicht mehr mit dem geplanten Bezugstermin übereinstimmt, drohen gravierende Verzögerungen.
In solchen Situationen können Verwaltungen oder Eigentümer nur noch begrenzt Einfluss nehmen. Zwar bestehen theoretisch Konventionalstrafen – praktisch bleibt aber oft nur das Zusehen. Nicht selten ziehen Bewohner ein, während die Tiefgarage noch gesperrt ist oder Baugerüste stehen. Das grundlegende Problem: Käufer haben keinen Einfluss auf die Wahl des Generalunternehmers und kaufen letztlich die sprichwörtliche Katze im Sack.
Kostenfallen nach der Übergabe: Serviceverträge und Unterhalt
Ein weiterer Bereich mit vielen Fehlern sind Service- und Wartungsverträge. Oft werden diese vom Ersteller abgeschlossen, ohne dass die Verwaltung Einfluss hat. Überteuerte Liftwartungen oder undurchsichtige Lüftungsverträge binden die Eigentümer über Jahre.
Auch Solaranlagen auf Dächern bergen Risiken: Werden sie ohne Rücksicht auf Unterhaltszugänge geplant, kann es zu Garantieausschlüssen kommen, weil das Dach nicht mehr gewartet werden kann. Hier zeigt sich, wie wichtig es wäre, schon in der Planung langfristig zu denken – und nicht nur bis zum Verkauf.

Rechtliche Neuerungen ab 2026: Ein Hoffnungsschimmer?
Ab dem 1. Januar 2026 tritt eine Gesetzesänderung in Kraft: Die Rügefristen für offene und versteckte Mängel werden auf neu 60 Tage (statt bisher sieben) seit Ablieferung des Werks bzw. Entdeckung des Mangels verlängert. Zudem kann man die Haftung nicht mehr auf die Unternehmer abwälzen. Der Ersteller haftet direkt für fünf Jahre. Das könnte zu mehr Sorgfalt führen – sofern die Ersteller nicht versuchen, sich mit juristischen Tricks herauszuwinden. Ob die Praxis davon spürbar profitiert, bleibt abzuwarten.
Fazit: Gute Leute, neutrale Expertise – und eine Portion Glück
Technisch wäre es längst möglich, Gebäude nahezu mängelfrei zu bauen. Doch solange Bauherren auf Billiganbieter setzen und GU/TU mit niedrigen Preisen locken, bleiben Mängel an der Tagesordnung. Jede Nachbesserung ist am Ende teurer.
Darum gilt für Verwaltungen und Käufer:
- Frühzeitige Einbindung aller Beteiligten (mindestens 6 Monate vorher)
- Externe Baufachleute für Abnahmen und Begleitungen beiziehen
- Service- und Unterhaltskosten bereits im Kaufvertrag prüfen
- Skepsis gegenüber unbekannten GU
- Grösstmögliche Transparenz bei Mängellisten und Dokumentation
Mehr Tipps und praktische Hilfe zum Thema Stockwerkeigentum gibt’s auf dem YouTube-Kanal stockwerkexperte: jede Woche neue Videos mit Daniel Kienast. Abonnieren lohnt sich!